Nova Scotia – Land voller Geheimnisse

Bald ist er zu sehen – der erste sternenklare Nachthimmel nach dem Labour Day. „Clear moon, frost soon“ (zu deutsch etwa „Mond hell und klar, Frost ist bald da“), wie man hier zu sagen pflegt. Die noch warmen Tage werden immer kürzer und nachts wird es zunehmend frisch, doch kaum haben die Wälder noch beim ersten Kälteeinbruch geschauert, bricht schon der Herbst mit all seiner Pracht herein und bemalt das Blattwerk in bunten Farben. In den Eichen glüht es rötlich, in den Pappeln schimmert es golden und die Ahornbäume leuchten in Scharlachrot, Orange und Knallgelb. Saugen Sie einmal ganz tief die Luft ein – und nehmen Sie das alles nicht nur mit den Augen wahr. Am besten erlebt man den prachtvollen Herbst in seiner schönsten Ausprägung, wenn man sich ihm mit allen Sinnen hingibt. In Kanadas östlichen Provinzen bietet sich reichlich Gelegenheit für wunderbare „Colour-Drives”, doch das südwestliche Nova Scotia, wo die Bay of Fundy mit ihrem beeindruckenden Gezeitenwechsel das Tor zum Atlantik bildet, birgt außerdem so manches Geheimnis: In diesem Landstreifen florieren Haute Cuisine, preisgekrönte Weine und Luxusunterkünfte. Wenn Sie ein paar Tage zur Verfügung haben, können Sie bis Thanksgiving die folgende Route mit allen Sinnen genießen, bevor sich ab Mitte Oktober alles für die Überwinterung bereit macht.

Lunenburg

111 Kilometer (1,5 Stunden Fahrzeit) ab Halifax International Airport (YHZ) (Autovermietung am Flughafen) Sie können gemütlich auf der Straße entlang Nova Scotias Südküste fahren. Wenn Sie unbedingt möchten, machen Sie am nicht besonders aufregenden Leuchtturm Peggys Cove Halt oder schauen Sie sich das von Ivan Fraser betriebene Heimatmuseum an. An der Mahone Bay können Sie einen Blick auf die Abbilder von Promis oder Figuren aus Kindergeschichten werfen, die sich − sehr einfallsreich und lustig arrangiert− auf herbstlichen Wiesen und Hausdächern tummeln. Ganz in der Nähe befindet sich Lunenburg. Diese Stadt, einst Siedlung von Deutschen, die 1750 von den Briten ins Land geholt worden waren, zählt heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. Lunenburg hat sich etwas von der Vergangenheit bewahrt. Das zeigt sich unter anderem in der Architektur und auch in den Gewerben, zu denen nach wie vor die Fischerei und der Schiffsbau zählen. Lunenburgs Hafen ist für wirklich große Schiffe gemacht; so beheimatet er die Bluenose 2 von Nova Scotia, die 2012 neu vom Stapel gelaufen ist. Nach Sonnenuntergang bietet sich die Teilnahme an der von Shelah Allen geführten Laternenwanderung an. Shelah, die schon immer in Lunenburg gelebt hat, kann so manches pikante Detail über die historischen Gebäude und die ehemaligen Bewohner verraten. Sie besitzt die Schlüssel zu allen Türen und beendet ihre Tour mit einer aufregenden Anekdote, die es einem warm ums Herz werden lässt. Übernachten: The Mariner King Historic Inn Das Mariner King Historic Inn umfasst drei farbenfrohe Häuser im Zentrum von Lunenburg. Sie können zwischen hübsch ausgestatteten Räumen im viktorianischen Gebäude oder in den benachbarten Gebäuden im maritimen Stil wählen. Essen: Fleur de Sel Restaurantchef Martin verwendet für seine Gourmet-Saisonküche Gemüse von Bauernhöfen aus der Region und frische Meeresfrüchte, die er gleich um die Ecke kauft. Den nötigen Pepp erhalten seine Cocktails aus der Kleindestillerie, die ehemals die örtliche Schmiede war.

Nova Scotia
Peggys Cove Leuchtturm, Foto: Stephen Lester, unsplash.com

Kemptville

188 Kilometer (2,5 Stunden Autofahrt) ab Lunenburg Mit ihrer günstigen Lage am Tusket und Napier River am Rande der Tobeatic Wilderness Area, einem 1000 km² umfassenden Naturschutzgebiet, ist diese Stadt der ideale Ausgangspunkt für Wanderungen in kühler klarer Luft, für die Erkundung ursprünglicher Wälder, in denen die bunten Blätter leuchten, und für Wildwasser-Kanufahrten. Übernachten und Essen: Trout Point Lodge Der Weg führt Sie zu einem Cottage. Sie werden jedoch sehen: Dieses „Cottage” ist vielmehr ein Luxus-Öko-Resort, das von meterhohen Pinien, Fichten und Birken gesäumt idyllisch an einem plätschernden Fluss mit befestigten Spazierwegen liegt. Das knisternde Kaminfeuer im Aufenthaltsraum schafft eine heimelige Atmosphäre, und erst wenn Sie sich zum Gourmet-Dinner ins Esszimmer begeben, werden Sie sich der anderen Gäste bewusst. Die Besitzer der Trout Point Lodge, die zugleich Küchenchefs sind, kreieren mehrgängige Menüs, die alle mit Produkten aus dem eigenen Garten oder der Umgebung zubereitet werden.

Annapolis Royal

140 Kilometer (2 Stunden Autofahrt) ab der Trout Point Lodge Buchen Sie für den nächsten Tag die Walbeobachtungs-Tour und fahren sie dann nach Annapolis Royal. Dies ist eine der kleinsten Städte in Kanada, hat aber die am weitesten zurückreichenden Geschichte. Sie können den Nachmittag damit verbringen, alte Gebäude, Museen, Tafeln und historische Stätten zu erkunden. In Annapolis Royal trafen die Europäer erstmals auf die Mi’kmaq, die damals mit den indigenen Stämmen des Nordens Pelzhandel betrieben. Später wurde die Stadt in Port Royal umbenannt und zu einem französischen Verwaltungs- und Militärzentrum gemacht. Nachdem die Stadt den Briten in die Hände gefallen und nach Queen Anne benannt worden war, blieb sie bis zur Gründung von Halifax 1749 Hauptstadt von Nova Scotia. Am nächsten Tag sollten Sie den einstündigen „Colour-Drive“ entlang der Digby Neck-Halbinsel so planen, dass Sie rechtzeitung die 11.30 Uhr-Fähre nach Long Island erwischen. Ocean Explorations liegt dann gleich links vor Ihnen. Laut dem Meeresbiologen Tom Goodwin, der die Walbeobachtungs-Touren anbietet, gebe es praktisch auf jeder der zweieinhalb- bis dreistündigen Schlauchbootfahrten Wale zu sehen. Das liege daran, dass er weiter hinausfahre und auch länger auf dem Wasser bleibe als manch anderer. Wo Sie nun ohnehin schon nasse Füße haben, können Sie in 25 Minuten die Straße zum „balancing rock” („schwebenden Felsen”) hinauffahren. Folgen Sie dem Bohlenweg und dem morastigen Pfad durch das Moor, vorbei an Schwarzfichten, Lärchen, Balsamtannen, amerikanischem Stinktierkohl, kanadischem Hartriegel und Sonnentau. Am Ende führt ein Steig die Klippen hinunter zu der Stelle, wo man die sechs Meter hohe Basaltsäule bestaunen kann. Sie liegt nur zum Teil auf einem Steinsockel auf, während der Rest über der St. Marys Bay schwebt und der Schwerkraft trotzt. Übernachten und Essen: Queen Anne Inn Das Queen Anne Inn ist ein vornehmes viktorianisches Anwesen, das in voller Pracht erstrahlt, ohne protzig zu wirken. Die Eigentümer erhalten die historischen Gebäude und die Einrichtung in einer entspannten und heimeligen Atmosphäre. Das angeschlossene Restaurant ist von Mittwoch bis Sonntag abends geöffnet. Da die kreative Küche sehr beliebt ist, empfiehlt es sich auch für Hotelgäste, einen Tisch zu reservieren.

Wolfville

Etwa 115 Kilometer (75 Minuten Fahrtzeit) ab Annapolis Royal Planen Sie Ihre Fahrt so, dass Sie an einem Freitag in dieser Universitätsstadt ankommen und an der Bustour teilnehmen können, die an Wochenenden durch mehrere Weingüter führt. Der englische Doppeldecker fährt eine festgelegte Route mit teilnehmenden Weingütern im Annapolis Valley ab. Die Teilnehmer können nach Belieben aussteigen, um an Verkostungen und Touren teilzunehmen oder Präsentationen anzusehen. Die Veranstaltungen sind auf den Fahrplan abgestimmt, so dass Sie am Ende gleich wieder in den Bus steigen können. Übernachten: Victoria’s Historic Inn Das stilvolle viktorianische Anwesen wurde im späten 19. Jahrhundert von einem Apfelmagnaten erbaut. Die historischen Einrichtungsgegenstände und die Originalausstattung wurden um moderne Annehmlichkeiten ergänzt. Beispielsweise sorgen Gasöfen dafür, dass man sich in den großen Räumen wohlfühlen kann. Essen: Le Caveau, Restaurant der Domaine de Grand Pré Jason Lynch, der das Kochhandwerk an der Cordon Bleu erlernt hat, wird für Sie auf Wunsch gerne korrespondierende Weine der Region zu seinen Gerichten reichen. Fragen Sie bei Ihrer Reservierung nach dem Degustations-Menü.

Halifax

90 Kilometer (einstündige Fahrt) ab Wolfville, 34 Kilometer (halbstündige Fahrt) bis Flughafen YHZ

Nova Scotia
Halifax

Besuchen Sie das Schifffahrtsmuseum, forschen Sie nach, ob eine Ihrer Vorfahren vielleicht eine der Kriegsbräute war, die nach dem Zweiten Weltkrieg am Pier 21 ankamen und erkunden Sie die Festung, auf der Halifax bis 1871 gegen Feinde verteidigt wurde. Übernachten: Prince George Hotel Der perfekte Ort, um in der Innenstadt zu übernachten. Nehmen Sie sich ein Zimmer mit Blick auf den Hafen, um den Schiffsverkehr zu beobachten oder – für romantische Nächte – eines mit Blick auf die Festung. Wenn draußen ein starker Wind weht, gelangen Sie vom Hotel aus auf einem überdachten Fußgängerweg an die Uferpromenade. Essen: Bicycle Thief Das Motto im Bicycle Thief „Amerikanisches Essen – Italienische Seele” trifft es genau. Die Gerichte sind erstklassig; umso mehr können Sie sie beim Blick auf die Uferpromenade und dank des freundlichen Personals genießen, das nicht nur mit den Speisen und den Weinen vertraut ist, sondern diese auch aufeinander abzustimmen weiß.

Cover-Foto: JM Fisher, unsplash.com
Originaltext von Elizabeth Willoughby übersetzt aus dem Englischen von Stefanie Schlatt.

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